Insomnie (Ein- und Durchschlafstörungen)

  • Es gibt keine evidenzbasierte Intervention für die Behandlung der Insomnie.
  • Das Management der Insomnie bei Tumorpatienten sollte nicht pharmakologische und pharmakologische Interventionen beinhalten.
  • Zusätzlich sollte eine Optimierung der Schlafhygiene erfolgen.

Mindestens 45% der Tumorpatienten leiden an Schlafstörungen irgendeiner Form.127 
Graci klassifizierte die Insomnie in drei verschiedene Typen128: verspäteter Schlafbeginn (Schwierigkeiten beim Einschlafen), beeinträchtigte Schlafkontinuität und frühzeitiges Erwachen (meist Stunden vor der geplanten Tagwache). Differentialdiagnostisch sind bei Schlafstörungen psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen, Angstreaktionen, Nebenwirkungen von Medikamenten, Entzugserscheinungen bei Absetzen eines Medikaments sowie Erkrankungen des Zentralnervensystems in Betracht zu ziehen.129 130 Ferner sollte nach primären Schlafstörungen wie Schlafapnoe, periodische Gliedmassenbewegungsstörung und Restless-leg-Syndrom gesucht werden. Bei Vorliegen dieser Erkrankungen sollten diese zuerst behandelt werden.129 

Leider gibt es derzeit keine evidenzbasierte oder als wahrscheinlich wirksam klassifizierte Therapie der Insomnie. Bei den im Folgetext beschriebenen Behandlungen muss jeweils individuell zwischen Nutzen und unerwünschten Wirkungen abgewogen werden.131 

Das Management der Insomnie bei Tumorpatienten sollte nicht pharmakologische Interventionen wie Verhaltenstherapien und, sofern anwendbar, auch pharmakologische Interventionen beinhalten.129 132 Zudem wird eine Optimierung der Schlafhygiene129 (siehe unten) und eine Überprüfung der Schmerzmedikation empfohlen.130 

Zur medikamentösen Therapie stehen Substanzen aus verschiedenen Klassen zur Verfügung, deren Wirksamkeit jedoch nicht evidenzbasiert ist, und die jeweils individuell bezüglich ihrer Nebenwirkungen evaluiert werden sollten.130 Zu den häufig verschriebenen Substanzen gehören Benzodiazepine (Diazepam, Triazolam und Clonazepam)und Hypnotika (Zolpidem, Zaleplon und Eszopiclon). Weitere Substanzklassen, die weniger häufig verschrieben, aber auch zur Verbesserung der Insomnie beitragen können, sind: Trizyklische Antidepressiva, Antidepressiva der zweiten Generation, Antihistamine, Chlorderivative und Neuroleptika.131 Die NCCN Leitlinien empfehlen bei Insomnie Zolpidem, Loraz-epam, Trazodon und Mirtazapine.29 

Bei Einschlafstörungen können kurz wirkende Hypnotika wie Zolpidem oder Lormetazepam versucht werden. Für Durchschlafstörungen eignen sich eher lang wirkende Hypnotika (Flunitrazepam), niederpotente Neuroleptika (Promethazin, Levopromazin) oder anxiolytische Antidepressiva (Amitriptylin, Doxepin).130 Vorsicht gilt bei Alkohol. Dieser gilt zwar als gutes Einschlafmittel, ist aber ein schlechtes Durchschlafmittel.130

Es gibt keine publizierten Studien, welche die Wirksamkeit pflanzlicher Substanzen zur Behandlung der Insomnie bei Tumorpatienten untersuchen. Aufgrund des Interaktionspotentials zwischen pflanzlichen Heilmitteln, Chemotherapie und anderen häufig benutzten Medikamenten ist der Gebrauch pflanzlicher Heilmittel bei Tumorpatienten als potentiell gefährlich einzustufen.133 

Die NCCN-Leitlinien empfehlen als nicht-pharmakologische Behandlung die kognitive Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen.129 Diese ist keine evidenzbasierte Intervention, sie zeigte ihre Wirksamkeit aber in mehreren kleineren Studien mit Tumorpatienten.131 Einige andere, nicht-pharmakologische Interventionen, die jeweils in kleinen Studien bei Tumorpatienten untersucht wurden und Schlafstörungen entgegenwirken sollen, sind kognitive Verhaltenstherapie und komplementäre Therapien wie verschiedene Entspannungstechniken (progressive Muskelrelaxation, autogenes Training), meditative Praktiken und gewisse Yoga-Arten.131 

Beim Aufdecken negativer Angewohnheiten ist das Schlaftagebuch hilfreich. Als wichtige schlafhygienische Massnahme gilt, beim Schlaf einen Rhythmus zu finden: Also stets zur selben Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen. Ein Mittagsschlaf oder Einnicken am späteren Nachmittag vertreibt die abendliche Müdigkeit und kann so das Einschlafen behindern. Gemieden werden sollten späte und schwere Mahlzeiten und stimulierende Getränke am Abend (Kaffee, Cola). 

Allgemeine schlaffördernden Massnahmen sind Training und Sport tagsüber sowie ein Abendspaziergang und Entspannungsübungen. Ein gut gelüftetes, kühles und ruhiges Schlafzimmer sowie eine bequeme Matratze sind ideale Rahmenbedingungen. Belastende Ereignisse in einem Tagebuch niederschreiben und so „abzulegen” kann helfen. Wenn sich der Schlaf absolut nicht einstellt, kann man aufstehen und etwas lesen, jedoch nicht den Fernseher einschalten. 

Einige Massnahmen zur Optimierung der Schlafhygiene:132 

  • Regelmässiger Schlafrhythmus – auch an Wochenenden
  • Vermeiden von Koffein, Nikotin und Alkohol 4 bis 6 Stunden vor dem Schlafengehen
  • Keine schweren Mahlzeiten 2 Stunden vor dem Schlafengehen
  • Wenig Trinken nach dem Abendessen, um Nykturie zu vermeiden
  • Stimulierende Umgebungen nach 5 Uhr abends meiden
  • Für eine angenehme Schlafumgebung mit angenehmer Zimmertemperatur, schwachem oder keinem Licht und ruhigem Zimmer sorgen
  • Schlafzimmer nur zum Schlafen gebrauchen
  • Nicht im Bett Fernsehen oder Lesen
  • Kurz vor dem Zubettgehen nicht arbeiten, fernsehen oder andere stimulierende Aktivitäten ausüben
  • Schlafen am Tag vermeiden (wenn, dann nur vor 3 Uhr nachmittags und höchstens eine Stunde)
  • Regelmässige körperliche Aktivität während des Tages, aber nicht zu kurz vor dem Schlafengehen
  • Entspannendes Ritual vor dem Zubettgehen etablieren
  • Das „Auf-die-Uhr-Sehen“ durch Wegstellen der Uhr vermeiden

 

© Cancerdrugs GmbH, last update 18.02.2016.
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