Anämie

Beigezogene Literatur: 1 2 3 4 5 11 20 167 187 188 189 190 191
  • Regelmässiges Blutbild durchführen
  • Transfusion bei symptomatischen Patienten mit einem Hämoglobinwert (Hb-Wert) von < 8 g/dl oder früher bei kardialen und/oder pulmonalen Komorbiditäten oder eingeschränkter Kompensation (Hb <10 g/l)
  • Therapie mit Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESAs) bei Chemotherapie-induzierter symptomatischer Anämie mit Hämoglobinwert (Hb-Wert) von < 10 g/dl erwägen
  • Therapieunterbruch, -abbruch und Dosisanpassungen sollten immer erst nach erfolgter Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen erfolgen

Schweregrade der Anämie nach CTCAE Version 4.03(Common Toxicity Criteria of Adverse Events) 


Grad 1 

Grad 2 

Grad 3 

Grad 4 

Grad 5 

Hb < LLN – 10.0 g/dl; < LLN - 6.2 mmol/L;

Hb <10.0 - 8.0 g/dl; 
<6.2 - 4.9 mmol/l; 

Hb <8.0 g/dl; 
<4.9 mmol/L; Transfusion indiziert

Lebensbedrohliche Konsequenzen ; 
dringliche Intervention indiziert

Tod 

 


Anämie bei Tumorerkrankungen ist häufig und hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Lebensqualität des Patienten. In der Regel ist ihre Genese multifaktoriell (Erythropoetin-Resistenz, Eisenverwertungsstörung, Blutverlust).167 187 188 Da zudem zytostatische Therapien gerne eine Anämie verursachen, sollte bei Patienten unter Chemotherapie regelmässig ein Blutbild durchgeführt werden. In der Regel erfordert eine Anämie keine Dosisanpassung. 

Zusätzliche Ursachen einer Anämie sollten gesucht werden (Nierenfunktion? Blutverlust?). Zur ätiologischen Klärung sollten der Eisenstatus (Eisen, Transferrin, Transferrinsättigung, Ferritin und CRP, sowie bei erhöhtem CRP auch der lösliche Transferrinrezeptor) bestimmt werden. Ebenso empfiehlt sich der Ausschluss eines Vitamin B12 und Folsäuremangels. Eine Hämolyse sollte aktiv gesucht werden, insbesondere, wenn sich unter Therapie eine Anämie rasch einstellt oder aggraviert (LDH, Haptoglobin, Bilirubin, ggf. Coombs-Test) 

Die Behandlung der Anämie wird entsprechend ihrer Ausprägung, Symptomatik sowie dem Vorliegen weiterer Risikofaktoren bestimmt: Am schnellsten wird eine symptomatische Anämie durch die Substitution von Erythrozytenkonzentraten ausgeglichen.A Allerdings sollten Transfusionen symptomatischen Patienten mit einem Hämoglobinwert von weniger als 9 g/dl vorbehalten werden. Die Indikationsstellung zur Transfusion bei chronischer Anämie sollte dabei vor allem aufgrund von klinischer Symptomatik, Begleiterkrankungen und Lebensqualität des Patienten gestellt werden, da gewisse Patienten bei einer chronischen Anämie sogar Hb-Werte zwischen 6 und 8 g/dl ohne Symptome tolerieren. In diesen Fällen besteht dann auch keine zwingende Indikation zur Erythrozytentransfusion.11 Lipp et.al sehen die Indikation zur Transfusion bei Hb-Werten unter 8 g/dl, eingeschränkter Kompensation und Vorhandensein von Risikofaktoren als geben.A Auch die deutsche KrebsgesellschaftB und die CTCAE (siehe Tabelle) geben Hb-Werte unter 8 g/dl als Indikation zur Transfusion an. Ebenso die Arbeitsgemeinschaft "Supportive Massnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin" (ASORS) Deutschen Krebsgesellschaft, welche als Transfusionsindikation einen Hb-Wert unter 8g/dl oder einen nicht tolerierten Hb-Wert < 10g/dl benennt. Letzteren insbesondere bei Patienten mit kardialen oder pulmonalen Begleiterkrankungen.<188> 
Erscheint die Korrektur der Anämie weniger dringlich, kommt die Therapie mit rekombinantem Erythropoetin (Erythropoese-stimulierende Agenzien, ESAs) in Frage. 
Dies ermöglicht, Erythrozytentransfusionen mit ihren potentiellen Nebenwirkungen (v.a. Infektionsrisiko, Tranfusionsreaktionen) zu minimieren. Der Nutzen von ESAs muss aber gegen potentielle Nebenwirkungen (v.a. thromboembolische Ereignisse, eventuelle negative Einflüsse auf den Verlauf der Tumorerkankung) abgewogen werden. Insbesondere ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschliessend zu beurteilen, welchen Einfluss ESAs auf Tumorprogression und Überleben haben (Ueberblick bei 189). 

Die European Medicines Agency (EMEA) benennt folgende Indikationen für den Gebrauch von ESAs bei Tumorpatienten (zitiert nach 191):

  • Bei Patienten, welche mit Chemotherapie behandelt werden und einen Hb <10 g/dl haben, können ESAs in Betracht gezogen werden, um den Hb-Wert um weniger als 2 g /dl anzuheben oder einen weiteren Hb-Abfall zu verhindern
  • Bei Patienten, die nicht mit Chemotherapie behandelt werden, besteht keine Indikation für den Einsatz von ESAs. Es könnte ein erhöhtes Todesrisiko bestehen, wenn ESAs mit einem Ziel-Hb von 12-14 g/dl verabreicht werden. 
  • Bei Patienten, die in kurativer Intention behandelt werden, sollen ESAs mit Vorsicht verwendet werden. 

Entschliesst man sich zur Therapie mit ESAS, soll die niedrigste, wirksame Dosis appliziert werden. Dazu sind regelmässige Hb-Kontrollen und Dosisanpassungen erforderlich. Praktische Empfehlungen hierzu können den Guidelines der European Society for Medical Oncology (ESMO) entnommen werden.E Eine Normalisierung der Hämoglobinkonzentration ist nicht das Ziel, sie soll nicht auf Werte >12 g/dl angehoben werden. Bleibt nach 6-8 wöchiger Therapie ein Effekt aus (Hb-Anstieg < 1-2 g/dl und/oder gleichbleibender Transfusionsbedarf) soll die Therapie beendet werden. 

Im Falle eines manifesten Eisenmangels werden durch parenterale Substitution in Ergänzung zur ESAs-Therapie meist höhere Hb-Anstiege erzielt als mit enteraler Substitution.E Daher sollte je nach Eisenstatus die Option einer intravenösen Eisensubstitution in Betracht gezogen werden, auch wenn parenterale Formulierungen derzeit nicht als Standard angesehen werden.A Die US-amerikanischen Guidelines des National Comprehensive Cancer Networks (NCCN) erwähnen die Möglichkeit einer kombinierten Gabe von ESAs und intravenösen Eisen auch für Patienten mit Chemotherapie-induzierter Anämie und funktionellem Eisenmangel (definiert als Ferritin 30-800 ng/ml und Transferrinsättigung 20 - 50%).191

Aufgrund eines erhöhten Thromboembolie-Risikos sollten Patienten unter Lenalidomid und Thalidomid keine erythropoetischen Wirkstoffe erhalten. Ebenso ist bei Patienten, die bereits ein thromboembolisches Ereignis durchgemacht haben, Vorsicht geboten.

 

© Cancerdrugs GmbH, last update 18.02.2016.
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