Fieber/Infektion

 
  • Anamnese und körperliche Untersuchung, Routinelabor, Fokussuche des Infekts
  • Antibiotische oder antimykotische Therapie.
  • Immer auch Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen.

Bei der Abklärung von Fieber stehen an erster Stelle die Anamnese und die sorgfältige körperliche Untersuchung sowie die Bestimmung folgender Parameter: perkutan gemessene SaO2, zentrale Körpertemperatur (im Gehörgang oder rektal), Bestimmung von Blutdruck, Puls- und Atemfrequenz. Bei einer perkutan gemessenen SaO2 < 93% muss ein Thoraxröntgenbild in zwei Ebenen angeordnet werden. Ebenso, insbesondere bei Tachykardie, muss der Ausschluss einer Lungenembolie mit einem D-Dimer-Wert erfolgen. Im Labor müssen das CRP und ein Hämatogramm inklusive der Neutrophilenzahl bestimmt werden, da Fieber in der Regel das erste und oft auch das einzige Zeichen einer Infektion bei neutropenischen Patienten ist. Danach folgen zur Fokussuche (Respirationstrakt, Urogential, Gastrointestinal etc.) routinemässig ein Urinstatus, eine Urinkultur und zum Versuch des Erregernachweises mehrere Blutkulturen aerob und anaerob. Je nach Symptomatik kann ergänzend auch eine Sputumkultur sinnvoll sein. 

Infektionen sind die häufigsten therapiebedingten Todesursachen bei Krebspatienten.134 In über 95 % der Fälle ist Fieber im Rahmen einer Chemotherapie-assoziierten Neutropenie auf eine Infektion zurückzuführen. Dennoch lässt sich bei 50–70 % der Patienten kein Erreger nachweisen.135 136 137 138 Neu aufgetretenes Fieber ohne klinische oder mikrobiologische Infektionsbefunde wird als unerklärtes Fieber bezeichnet.139 Definitionsgemäss entspricht es einer einmalig oral gemessenen Körpertemperatur ohne erkennbare Ursache von 38,3°C oder 38,0°C während mindestens einer Stunde bzw. zweimal innerhalb von zwölf Stunden. Dieses Fieber muss als Infektionszeichen gewertet werden.134 

Bei neutropenischem Fieber muss nach einem pulmonalen Infiltrat gesucht werden (Röntgenthorax in zwei Ebenen). Bei Vorliegen eines Infiltrats muss auch an eine Pilzpneumonie gedacht und ein HRCT angestrebt werden, so dass bei radiologischer Verdachtsdiagnose eine antimykotische Therapie initiiert werden kann. Denn Fieber ohne Erregernachweis kann auch Zeichen einer systemischen Pilzinfektion sein. 

Die Therapie darf jedoch durch die Diagnostik keinesfalls verzögert werden. Sie muss innerhalb von 2 Stunden nach Fieberbeginn beginnen.134 139 140 Deshalb wird sie in der Regel empirisch begonnen, unter anderem auch weil eine Erregersicherung nur in der Minderzahl der Fälle gelingt und einer Weiterentwicklung zu einer potenziell lebensbedrohlichen Infektion vorgebeugt werden muss.134 136 137 138

Vor der Beginn der Antibiose müssen mindestens zwei separate Paare venöser Blutkulturen aus einer peripherer Vene für die kulturelle Untersuchung (aerob/anaerob) abgenommen werden.134 

Als Indikation zur sofortigen antimikrobiellen Therapie zählen:134

  • Neutropenie und Fieber (Ausnahme: Nicht infektbedingtes Fieber) Neutropenie und mikrobiologisch dokumentierte Infektion Neutropenie und klinisch oder radiologisch dokumentierte Infektion
  • Zeichen der Infektion (auch ohne Fieber) und neutrophile Granulozyten < 0.5 G/l oder < 1 G/l mit erwartetem Abfall unter 0.5G/l
  • Patienten mit Symptomen oder Befunden einer Infektion oder klinischer Diagnose einer Sepsis

Sind klinisch nachweisbare Infektionen vorhanden, müssen die dabei häufigen Erreger in der empirischen Antibiose berücksichtigt werden:
Bei Wund- und Weichteilinfektionen sind häufig Staphylokokken ursächlich.141 Bei Haut- und Venenkatheter-assoziierte Infektionen sind koagulasenegative Staphylokokken unter den verantwortlichen Erregern dominant.140
Anaerobier müssen unbedingt bei abdominellen Symptomen erfasst werden.141 Grundsätzlich ist bei abdominellen und perianalen Infektionen mit einem gemischten Keimspektrum zu rechnen. Dies ist auch dann der Fall, wenn die mikrobiologische Diagnostik eine vermeintlich monobakterielle Infektion ergibt.140
Bei pulmonalen Infiltraten soll auch an atypische Pneumonien oder an eine pulmonale Aspergillose gedacht und die Therapie entsprechend erweitert werden.141 

Gelingt die mikrobiologische Identifikation des Erregers, ist auf eine gezielte, am Antibiogramm orientierte Antibiotikatherapie umzustellen. Wobei beim neutropenischen Patienten Breitspektrumantibiotika beibehalten werden sollten, welche die Resistenzen der nachgewiesenen Erreger berücksichtigen oder es sollte die bestehende Antibiotikatherapie gezielt erweitert werden 

Beim Nachweis von Lungeninfiltraten in der bildgebenden Diagnostik des Thorax sollte die antimikrobielle Therapie zusätzlich mit einem Aspergillus-wirksamen Antimykotikum ergänzt werden.142 Da Septikämien durch gram-negative Bakterien die Haupttodesursache bei solchen Fällen sind, muss die empirische antibiotische Therapie obligat gegen gram-negative Erreger aus dem Gastrointestinaltrakt wirksam sein.140 Ferner muss bei der Auswahl der Antibiotika auch die lokale Resistenzlage beachtet werden.141 Die Arbeitsgemeinschaft für Infektiologie der Deutschen Gesellschaft für Onkologie (AGIHO) entwickelt kontinuierlich Leitlinien zur Diagnostik, Prophylaxe und Therapie infektiöser Komplikationen onkologischer Patienten und stellt diese als Ratgeber für den klinischen Alltag in ständig aktualisierten Versionen zur Verfügung (www.dgho-infektionen. de). 

Invasive Pilzinfektionen sind nur selten eindeutig zu diagnostizieren. Candida- und Aspergillus-Arten haben als Erreger von invasiven Mykosen die grösste Bedeutung.143
Dabei sind invasive Aspergillosen die bedrohlichsten Systemmykosen für Patienten mit Tumorerkrankungen. In über 80% der Fälle manifestieren sie sich als invasive pulmonale Aspergillose (IPA).144 Da die klinischen Symptome einer IPA relativ unspezifisch sind (Husten, Luftnot, Pleuraschmerzen, Fieber, eventuell Hämoptysen), sollte bei den ersten Anzeichen einer pulmonalen Infektion die radiologische Untersuchung mittels Computertomografie (HRCT oder Spiral-CT) als Diagnostik der Wahl angesehen werden. Eine Zygomykose und eine Aspergillose sehen in der CT gleich aus, deshalb ist eine erregerspezifische Diagnostik anzustreben.143 2012 hat die Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie/Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (AGIHO/DGHO) Leitlinien zur antimykotischen Therapie publiziert.145 

Patienten mit Fieber unklarer Genese sprechen zu 60 – 70% innerhalb von 4 Tagen auf die antimikrobielle Therapie an. Schlägt die Behandlung nicht an, gelingt manchmal noch im weiteren Verlauf der Nachweis eines Infektherdes oder eines Infektionserregers, so dass die antimikrobielle Therapie dann gezielt modifiziert werden kann.146 

Bevor über die Auswahl der antimikrobiellen Substanz(en) sowie über die Notwendigkeit der stationären Behandlung entschieden wird, sollten die Patienten hinsichtlich ihres Risikos einer kompliziert oder lebensbedrohlich verlaufenden Infektion evaluiert werden. Die multinationale Assoziation für Supportivtherapie bei Tumorpatienten (MASCC) hat dafür einen validierten Risikoscore entwickelt.147
Klinische Studien zeigten, dass Patienten mit einem niedrigen Risiko für einen fulminanten Infektionsverlauf genauso gut mit einer oralen wie mit einer intravenösen antibiotischen Therapie behandelt werden können.140 Bei folgenden zusätzlichen Symptomen ist von einer oralen Behandlung abzusehen: schwere Pneumonie, ZNS-Infektionen, Katheterinfektionen, Sepsis oder Schock, schlechter Performance-Status, Diarrhö, abdominale Schmerzen, Exsikkose, Erbrechen sowie vorangegangene Prophylaxe mit Chinolonen.141 

Persistieren das Fieber und die Neutropenie über 72–96 h sollte die Therapie, umgestellt respektive erweitert werden. Mittels eines Antibiogramms ist zu prüfen, inwieweit ein Erreger nicht ausreichend erfasst wurde. Bei länger andauernder Neutropenie und persistierendem Fieber muss an Mykosen und virale Infektionen gedacht werden.141 

Dauer der Therapie
Zur Vermeidung von Resistenzen sollte zumindest 7 Tage antibiotisch behandelt werden. Sind die Patienten nach Regeneration der Neutrophilen 2 Tage afebril, kann die Antibiotikatherapie beendet werden. Bei weiter bestehender Neutropenie und 7-tägiger Fieberfreiheit kann auf eine Prophylaxe umgestellt werden. Wurde eine Bakteriämie mit Staphylococcus aureus nachgewiesen, sollte 14 Tage behandelt werden.141 

Eine routinemässige Infektionsprophylaxe mit Antibiotika wird wegen des Risikos der Resistenzentwicklung nicht empfohlen. Ausnahmen sind Patienten mit Risikofaktoren für Infektionen.134

 

© Cancerdrugs GmbH, last update 15.02.2016.
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